Zwischen IT und Business: Der Business Analyst als Architekt des kulturellen Wandels im Asset Management
Die Rolle des Business Analysten befindet sich im Wandel. Früher primär als Übersetzer zwischen den Anforderungen der Fachbereiche und der Umsetzung durch die IT verstanden, agiert er heute zunehmend als Kulturvermittler. Seine Aufgabe endet nicht bei der Dokumentation von Prozessen; sie beginnt bei der Frage nach dem tieferen „Warum“. Im Asset Management, besonders im Private Markets Umfeld, ist dies eine besondere Herausforderung: Prozesse sind langlaufend, Verantwortlichkeiten komplex und die Regulatorik hochdynamisch. Wenn Wandel hier gelingen soll, braucht es eine Rolle, die zwischen Technik und Kultur vermittelt.
Haftungsausschluss: Die folgenden Ausführungen stellen keine Rechts- oder Anlageberatung dar, sondern eine fachliche Analyse aus der Perspektive eines Business Analysten.

Warum Private Markets anders sind
Um die besondere Rolle des Business Analysten in diesem Sektor zu verstehen, muss man die fundamentalen Unterschiede der Private Markets zu liquiden Anlageklassen anerkennen. Es geht nicht nur um andere Assets, sondern um eine völlig andere operative Realität. Die Investments sind per Definition illiquide und auf einen langen Zeithorizont ausgelegt. Die Strukturen, insbesondere die rechtlichen Vereinbarungen zwischen General und Limited Partnern (LPAs), sind hochgradig komplex und individuell verhandelt. Dies führt zu einer Daten- und Prozesslandschaft, die von Natur aus heterogen, unstrukturiert und oft manuell geprägt ist. Standardisierte IT-Lösungen stoßen hier schnell an ihre Grenzen.
Die neue Rolle: Vom Übersetzer zum Kommunikationsarchitekten
Traditionell war der Business Analyst die Brücke zwischen Fachbereich und IT. Heute gestaltet er Informationsarchitekturen. Er beschäftigt sich nicht nur mit Prozessen, sondern mit Datenflüssen, Ownership-Strukturen und regulatorischen Abhängigkeiten. Die entscheidende Frage ist nicht mehr „Was wird gebraucht?“, sondern „Warum wird es gebraucht?“.

Der Kernkonflikt: Standardisierte IT-Governance vs. Private-Markets-Spezialwissen
Ein zentraler Reibungspunkt in vielen Organisationen entsteht, wenn zentrale IT-Abteilungen auf Standardisierung und Zentralisierung drängen. Technisch durchaus bewährte Konzepte aus anderen Branchen werden dabei oft ohne tiefes Verständnis für die Besonderheiten der Private Markets „durchgepeitscht“. Die Prozesse rund um Commitment Management, NAV-Berechnung oder Wasserfall-Modelle sind nicht standardisierbar wie ein Logistikprozess und bergen viele versteckte Regeln, die bei Berechnung und Konsolidierung beachtet werden müssen. Sie sind eng miteinander verflochten und regulatorisch sensibel. Aktionismus ohne dieses Spezialwissen führt hier schnell zu Chaos und fehlender Akzeptanz. Der Business Analyst muss hier als Vermittler agieren und die Erfahrung der Fachbereiche als wertvolles Kapital in die technische Konzeption einbringen.

Das Toolkit des Kommunikationsarchitekten
Um die Gräben zwischen Fachbereichen und IT zu überwinden, nutzt der Business Analyst gezielte Artefakte. Diese sind keine Selbstzwecke, sondern strategische Kommunikationshilfen, die einen gemeinsamen semantischen Raum schaffen.
| Werkzeug | Zweck | Nutzen im Private Markets Kontext |
|---|---|---|
| Process Mining & BPMN | Visualisierung und Standardisierung von Abläufen | Macht die komplexen, oft impliziten Schritte im Commitment Lifecycle oder bei der NAV-Berechnung für alle verständlich. |
| Data Dictionary & Business Glossary | Schaffung einer einheitlichen Begriffswelt | Verhindert Fehlinterpretationen bei zentralen Kennzahlen wie „NAV“, „IRR“ oder „Commitment“. |
| User Story Mapping | Iterative Anforderungsentwicklung | Fokussiert die Entwicklung auf den direkten Mehrwert für den Nutzer, anstatt auf monolithische Pflichtenhefte. |
| Stakeholder Map | Visualisierung der Akteure und ihrer Interessen | Macht die oft komplexen Beziehungen zwischen LP, GP, Administrator und Portfoliounternehmen transparent. |
Die Zukunft der Rolle: KI als Werkzeug, nicht als Orakel
Künstliche Intelligenz wird die Arbeit des Business Analysten verändern, aber nicht ersetzen. Wo KI heute schon konkret hilft, ist bei klar definierten Aufgaben wie dem automatischen Auslesen (Parsing) von Standard-Feldern aus Fondsdokumenten, der Erkennung von Anomalien in großen Datensätzen von NAV-Berechnungen oder der semantischen Suche in einer umfangreichen Prozessdokumentation. Doch die Grenzen sind ebenso klar: KI versagt (noch), wenn es um das tiefe Kontextverständnis bei regulatorischen Grenzfällen, das Management von Stakeholder-Konflikten oder strategische Entscheidungen über das zukünftige Prozess-Design geht.
Die wahre Chance liegt darin, dass die Automatisierung von Routinen dem Business Analysten mehr Zeit für das Wesentliche verschafft: Verstehen, Strukturieren und Überzeugen. Der Business Analyst der Zukunft ist vorausschauend. Er erkennt Veränderungen, bevor sie zum Problem werden. Er denkt interdisziplinär, spricht die Sprache der Regulatorik und argumentiert operativ. Doch das Wichtigste bleibt unverändert: Er muss Menschen zusammenbringen und Verständnis erzeugen.
Die Grenzen der Rolle: Wo der Business Analyst scheitern kann
Nicht jede Organisation ist bereit für einen Business Analysten als Kulturvermittler. Strukturelle Hindernisse können den Erfolg unmöglich machen. Wenn das Silodenken auf Führungsebene so stark ist, dass IT und Fachbereiche als konkurrierende Machtbasen agieren, wird der BA zwischen den Fronten zerrieben. Wenn keine Ressourcen für die notwendige Zeit für Workshops, Analysen und Abstimmung bereitgestellt werden, verkommt die Rolle zur reinen Alibifunktion. Und wenn der Widerstand gegen Transparenz zu groß ist, weil bestehende Ineffizienzen politische Besitzstände schützen, sind die Bemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Daraus ergibt sich das zentrale Dilemma des Business Analysten: Er muss neutral sein, aber gleichzeitig Partei ergreifen – für die beste Lösung. Er muss Vertrauen aufbauen, aber auch unbequeme Wahrheiten aussprechen. Diesen Balanceakt zu meistern, ist die eigentliche Kunst der Rolle.
Fazit: Vision mit Bodenhaftung als Schlüssel zum Erfolg
Der Business Analyst ist mehr als ein Übersetzer zwischen Business und IT – er ist ein Katalyst des kulturellen Wandels. In einer Branche, die sich zwischen Regulierung, Digitalisierung und Kostendruck bewegt, ist die Fähigkeit, eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, der entscheidende Schlüssel. Visionen sind wichtig, aber sie brauchen die Bodenhaftung der operativen Realität und des tiefen Fachwissens. Ohne diese Balance scheitert jeder Wandel, egal wie modern die Tools oder wie groß die Budgets sind.
Quellen
- Eigene Projekterfahrung und Marktbeobachtung: Die zentrale Quelle dieses Artikels ist die Synthese aus über 40 Jahren Erfahrung in der Finanzindustrie, davon mehr als 20 Jahre in der Business Analyse.
- IIBA (International Institute of Business Analysis): Als methodische Grundlage für die Rolle und die Werkzeuge der Business Analyse.
- EFAMA / AIFMD II Discussion Papers: Als Beleg für die komplexen regulatorischen und prozessualen Herausforderungen im Asset Management.

