Inhaltsverzeichnis
< Alle Themen
Drucken

Die Quadratur des Kreises? Herausforderungen im Multi-Asset-Management mit liquiden und illiquiden Anlagen

1. Herausforderung Multi-Asset-Management

Multi-Asset-Manager stehen vor der komplexen Aufgabe, Portfolios zu verwalten, die sowohl liquide als auch illiquide Anlagen umfassen. Diese Diversifikation bietet zwar Chancen zur Renditesteigerung und Risikostreuung, bringt aber auch erhebliche organisatorische und technologische Herausforderungen mit sich. Die fundamental unterschiedlichen Merkmale der Assetklassen erfordern maßgeschneiderte Prozesse, Technologien, regulatorische Strategien und spezifisches Fachwissen.

Disclaimer: 

Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechts-, Steuer- oder Finanzberatung dar. Die hierin enthaltenen Informationen sollten vor einer Entscheidungsfindung unabhängig überprüft werden.
Füllbild Multi-Asset-Manager
Füllbild Multi-Asset-Manager

2. Unterschiede zwischen liquiden und illiquiden Assets

Die Kernunterschiede manifestieren sich in mehreren Bereichen:

  • Handels-, Abwicklungs- und Bewertungsprozesse:
    • Liquide Assets (z. B. Aktien, Anleihen): Werden an organisierten Börsen gehandelt, was zu hoher Transparenz und Liquidität führt. Die Abwicklung erfolgt schnell und standardisiert (z. B. T+1 oder T+2). Die Bewertung basiert auf kontinuierlich verfügbaren Marktdaten.
    • Illiquide Anlagen / Private Market Investments (PMI) (z. B. Private Equity, Immobilien, Infrastruktur): Sind nicht börsennotiert und werden außerbörslich (OTC) gehandelt. Die Bewertung ist komplexer, erfolgt seltener (oft quartalsweise) und basiert auf Schätzungen, Modellen oder Gutachten, die weniger transparent sind.
  • Standardisierung:
    • Liquide Assets sind hoch standardisiert (ISINs, standardisierte Kontrakte), was Handel und Abwicklung massiv vereinfacht.
    • PMI sind deutlich weniger standardisiert; jede Transaktion ist oft einzigartig mit maßgeschneiderten Verträgen, komplexen Kapitalstrukturen und individuellen Prozessen (z.B. Capital Calls, Distributions).

3. Herausforderungen bei der einheitlichen Verwaltung

Die Unterschiede führen zu konkreten Schwierigkeiten im täglichen Management:

  • Reporting-Standards und Datenformate:
    • Liquide Assets nutzen oft standardisierte Datenformate (z.B. SWIFT-Nachrichten, teils XBRL), was die Vergleichbarkeit und automatisierte Verarbeitung erleichtert.
    • PMI erfordern häufig maßgeschneiderte Berichte (z.B. individuelle LP-Reports als PDF), was die Datenaggregation, -extraktion und -analyse erheblich erschwert.
  • Abwicklungs- und Cashflow-Zyklen:
    • Liquide Assets: Kurze, standardisierte Abwicklungszyklen (T+1/T+2).
    • PMI: Langfristige, oft unregelmäßige und weniger vorhersehbare Kapitalabrufe (Capital Calls) und Ausschüttungen (Distributions) über die gesamte Laufzeit des Investments.
  • Regulatorische Anforderungen:
    • Liquide Assets: Unterliegen oft Regelwerken wie UCITS, die strenge Anlagegrenzen, Diversifikationsregeln und hohe Transparenzpflichten vorschreiben.
    • PMI: Fallen häufig unter AIFMD und unterliegen spezifischen Anforderungen an Risikomanagement, Bewertungsprozesse, Leverage-Berechnung und Offenlegung (z.B. auch durch MiFID II, SFDR beeinflusst). Ein einheitlicher regulatorischer Rahmen ist komplex.

4. Operative & technologische Hürden

Die praktische Umsetzung eines integrierten Ansatzes stößt auf signifikante Hürden:

  • Systemintegration:
    • Die Integration verschiedener Systeme, die jeweils auf liquide oder illiquide Assets spezialisiert sind, ist komplex, da Datenmodelle, Prozesse und Schnittstellen oft nicht kompatibel sind.
    • Ein wirklich einheitliches Portfolio-Management-System (PMS), das die Tiefe und Funktionalität für beide Welten zufriedenstellend abbildet, ist schwer zu finden oder zu entwickeln.
  • Datenaggregation und -analyse:
    • Die Zusammenführung von Daten aus fundamental unterschiedlichen Quellen und Formaten (z.B. tägliche Kursdaten vs. quartalsweise Bewertungs-PDFs) ist aufwendig, fehleranfällig und erfordert oft manuelle Eingriffe.
    • Die Analyse von PMI erfordert spezielle Expertise und Modelle (z.B. IRR-Berechnungen, J-Curve-Analysen), die in Standard-PMS für liquide Assets oft fehlen.
  • Expertise-Anforderungen: Neben den technologischen Hürden erfordert die Verwaltung illiquider Assets auch tiefgreifendes spezifisches Fachwissen, das sich deutlich von dem für liquide Märkte unterscheidet – etwa in den Bereichen Unternehmens- oder Immobilienbewertung, komplexes Vertragsrecht (LPAs), spezifische Steuerthemen und das Management von Illiquiditätsrisiken.
  • Technologische Werkzeuge: API-Schnittstellen, Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung können die Integration und Datenanalyse zwar prinzipiell erleichtern, erfordern aber oft hohe initiale Investitionen und Entwicklungsaufwand.

5. Praxisbeispiele & Lösungsansätze

Wie gehen Marktteilnehmer mit diesen Herausforderungen um?

  • Große Multi-Asset-Manager:
    • Investieren oft in spezialisierte Teams für liquide und illiquide Anlagen sowie in dedizierte Technologien für jede Assetklasse.
    • Nutzen zunehmend modulare Systemarchitekturen oder Plattformen, die eine flexible Integration verschiedener Spezialsysteme über standardisierte Schnittstellen (APIs) erlauben.
  • Innovative Technologien als Lösungsbausteine:
    • APIs (Application Programming Interfaces): Erleichtern die Integration, indem sie z. B. eine standardisierte Datenübertragung zwischen dem Aktien-Portfolio-Management-System und dem spezialisierten Tool für Private Equity ermöglichen.
    • KI & Automatisierung: Helfen bei der Datenanalyse, etwa durch die automatisierte Extraktion relevanter Datenpunkte aus unstrukturierten LP-Reports oder die Unterstützung bei der Mustererkennung für Risikobewertungen.
    • Blockchain/DLT: Bietet Potenzial zur Erhöhung der Transparenz und Effizienz bei Transaktionen, insbesondere bei der transparenten und unveränderlichen Nachverfolgung von Eigentumsrechten und komplexen Transaktionsketten bei PMI.
    • Cloud-Plattformen: Ermöglichen die zentrale Datenhaltung, Skalierbarkeit und verbesserte Analysefähigkeiten, was die Zusammenarbeit durch einen zentralen, sicher zugänglichen Datenraum für Deal-Teams, Operations und externe Partner erleichtert.
  • Strategische Systementscheidung:
    • Spezialisierte Systeme (Best-of-Breed): Bieten hohe Funktionalität für einzelne Assetklassen, erfordern aber einen hohen Integrationsaufwand für eine Gesamtportfolio-Sicht.
    • Übergreifende Systeme (All-in-One): Ermöglichen potenziell eine ganzheitliche Portfolio-Sicht, sind aber oft Kompromisse und in der Tiefe für PMI möglicherweise nicht ausreichend.

6. Zukunftsausblick

Wie könnte sich das Management dieser Portfolios entwickeln?

  • Standardisierung:
    • Eine stärkere Standardisierung von Daten und Prozessen im PMI-Bereich ist wünschenswert, um die Automatisierung und Integration zu fördern, aber aufgrund der inhärenten Heterogenität dieser Assets eine große Herausforderung.
    • Initiativen wie die breitere Nutzung von LEI (Legal Entity Identifier) für Fonds und Beteiligungen oder Brancheninitiativen zur Datenstandardisierung (z.B. von ILPA, Invest Europe) sind wichtige Schritte, aber es bedarf konzertierter Bemühungen.
  • Rolle von Regulierern und Marktteilnehmern:
    • Regulierer können durch Vorgaben die Transparenz fördern und Standards setzen (wie bei SFDR teilweise geschehen), müssen aber die Besonderheiten und die geringere Datenverfügbarkeit bei PMI berücksichtigen, um keine unverhältnismäßigen Hürden aufzubauen.
    • Marktteilnehmer (Manager, Dienstleister, Technologieanbieter) sind gefordert, Best Practices zu entwickeln, in innovative Technologien zu investieren und bei Standardisierungsbemühungen zusammenzuarbeiten.

7. Fazit

Die Verwaltung von Multi-Asset-Portfolios, die liquide und illiquide Anlagen kombinieren, bleibt eine anspruchsvolle Disziplin. Sie erfordert nicht nur ausgefeilte Anlagestrategien, sondern auch eine hohe operative Exzellenz, passende technologische Infrastrukturen und tiefgehendes Spezialwissen für die unterschiedlichen Assetklassen. Durch den gezielten Einsatz innovativer Lösungen, eine durchdachte Systemstrategie und eine fortlaufende Anpassung an regulatorische sowie marktgetriebene Entwicklungen können die Herausforderungen jedoch gemeistert und die Vorteile der Diversifikation voll ausgeschöpft werden.