Best Practices & Benchmarking bei PMI-Softwareprojekten: Strategische Orientierung statt blindem Kopieren
1. Der Mythos der universellen „Best Practice“
Die Frage nach „Best Practices“ ist ein wiederkehrendes Thema bei der Auswahl und Implementierung von Softwarelösungen im Private Markets (PMI) Sektor. Der Wunsch, von den Erfahrungen anderer zu lernen und bewährte Lösungen zu adaptieren, ist nachvollziehbar und prinzipiell sinnvoll. Jedoch birgt die unreflektierte Suche nach oder die Forderung nach einer universellen „Best Practice“ erhebliche Risiken. Sie kann zu suboptimalen Lösungen führen, die weder zur spezifischen Strategie noch zur operativen Realität der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) passen. Dieser Artikel analysiert die sinnvolle Nutzung von Benchmarking und externen Impulsen im Kontext von PMI-Softwareprojekten und plädiert für einen Ansatz, der interne Analyse mit externer Orientierung strategisch verknüpft.
Disclaimer:
Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechts- oder Finanzberatung dar. Die hierin enthaltenen Informationen sollten vor einer Entscheidungsfindung unabhängig überprüft werden.

2. Die Verlockung (und Gefahr) der Abkürzung
Die Frage „Was ist Best Practice?“ oder „Wie machen es die anderen?“ wird oft zu Beginn eines Softwareprojekts gestellt. Die Motive können vielfältig sein:
- Unsicherheit & Komplexität: Die Einführung einer neuen Kernplattform (z.B. IMS/PMS) ist komplex. Die Suche nach Best Practices kann eine vermeintliche Sicherheit in einem schwer überschaubaren Prozess bieten.
- Effizienzdruck: Die Hoffnung, durch Übernahme bewährter Lösungen Zeit und Ressourcen bei der internen Anforderungsanalyse und Konzeption zu sparen.
- Mangelnde interne Ressourcen/Expertise: Fehlendes Know-how oder Kapazitäten für eine tiefgehende eigene Prozessanalyse und Lösungsdefinition.
- Legitimationsbedürfnis: Der Verweis auf einen „Industriestandard“ oder das Vorgehen von Wettbewerbern kann intern helfen, Entscheidungen zu rechtfertigen.
Diese Motive sind verständlich, führen jedoch oft zu einem fundamentalen Fehler: Das Überspringen oder die Vernachlässigung der gründlichen internen Ist-Analyse und Soll-Konzeption. Blindes Kopieren von Prozessen oder Konfigurationen anderer Marktteilnehmer ignoriert die spezifische Strategie, die Organisationskultur, die vorhandene IT-Landschaft und die individuellen Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens.
Die Folgen können gravierend sein: Implementierung von Funktionen, die nicht benötigt werden; Konfigurationen, die etablierte, effiziente interne Prozesse behindern; mangelnde Akzeptanz bei den Anwendern; hohe Anpassungskosten für eine Lösung, die „von der Stange“ passte, aber nicht zum eigenen Haus. Im schlimmsten Fall wird ein System implementiert, das operative Risiken erhöht statt reduziert.
3. Fundament zuerst: Die unverzichtbare interne Analyse
Bevor der Blick nach außen gerichtet wird, muss Klarheit nach innen geschaffen werden. Dies erfordert eine systematische:
- Prozessaufnahme (Ist-Zustand): Detaillierte Dokumentation der bestehenden End-to-End-Prozesse über Front-, Middle- und Back-Office hinweg (z.B. Deal Sourcing, Due Diligence, Portfolio Monitoring, Valuation, Capital Calls, Reporting). Wer macht was, wann, wie und mit welchen Systemen/Tools? Wo gibt es manuelle Schritte, Medienbrüche, Redundanzen?
- Schwachstellenanalyse: Identifikation von Ineffizienzen, Risiken (operationell, Compliance), Datenqualitätsproblemen und unerfüllten funktionalen Anforderungen im Ist-Zustand.
- Soll-Prozess-Design: Entwicklung optimierter Zielprozesse unter Berücksichtigung der strategischen Ziele, der Möglichkeiten neuer Technologien und der Beseitigung identifizierter Schwachstellen.
- Anforderungsdefinition: Ableitung konkreter, priorisierter funktionaler und non-funktionaler Anforderungen an die zukünftige Softwarelösung aus den Soll-Prozessen.
Diese Phase ist aufwendig und erfordert dedizierte Ressourcen sowie die aktive Beteiligung der Fachbereiche. Der Einsatz von Prozessmodellierungs-Tools (z.B. BPMN), strukturierten Interviews, Workshops und ggf. externer Moderation kann hierbei unterstützen. Das Ergebnis ist ein klares Verständnis der eigenen Bedürfnisse und die Basis für jede weitere Entscheidung.
4. Benchmarking & externe Impulse strategisch nutzen: Der richtige Zeitpunkt und Ansatz
Nachdem das eigene Haus bestellt ist, kann der Blick nach außen wertvolle Impulse liefern – jedoch nicht als Blaupause, sondern als Orientierung und Inspiration:
4.1. Wann ist der Blick nach außen sinnvoll?
- Während der Soll-Konzeption: Um innovative Prozessideen oder technologische Möglichkeiten zu identifizieren, die intern noch nicht berücksichtigt wurden.
- Bei der Anforderungsdefinition: Um sicherzustellen, dass keine wesentlichen Industriestandards oder regulatorischen Erwartungen übersehen wurden.
- Bei der Vendor-Evaluierung: Um zu verstehen, wie andere Marktteilnehmer ähnliche Anforderungen mit der evaluierten Software gelöst haben (Referenzbesuche, User Groups).
- Zur Validierung eigener Lösungsansätze: Um die eigenen Design-Entscheidungen kritisch zu hinterfragen und mit alternativen Ansätzen zu vergleichen.
4.2. Wie nutzt man externe Impulse effektiv?
- Selektives Benchmarking: Vergleichen Sie sich nicht pauschal, sondern gezielt mit relevanten Peers (ähnliche Größe, Strategie, Komplexität). Analysieren Sie spezifische Prozesse oder Kennzahlen, nicht das gesamte Betriebsmodell.
- Fokus auf Prinzipien, nicht auf Details: Verstehen Sie die Logik und die Ziele hinter den Praktiken anderer, anstatt nur die konkrete Umsetzung zu kopieren. Fragen Sie: Warum machen die das so? Passt dieses Warum zu unserer Strategie?
- Kritische Adaption: Übernehmen Sie externe Ansätze nur, wenn sie nachweislich einen Mehrwert für die eigene Organisation bringen und mit der eigenen Strategie und Kultur vereinbar sind. Passen Sie die „Best Practice“ an Ihre Bedürfnisse an.
- Nutzung vielfältiger Quellen: Informationen von Softwareanbietern (die naturgemäß ihr Produkt als „Best Practice“ darstellen) müssen durch unabhängige Quellen ergänzt werden: Branchenkonferenzen, Fachpublikationen, Netzwerk-Austausch mit anderen Marktteilnehmern, Analysen von unabhängigen Beratern, Einblicke von Datenprovidern.
- Vorsicht vor „kultivierten Defekten“: Hinterfragen Sie Praktiken kritisch, auch wenn sie als „Standard“ gelten. Manchmal haben sich ineffiziente Workarounds etabliert, die fälschlicherweise als bewährte Methode angesehen werden.
5. Die Rolle des Softwareanbieters und des Beraters
- Softwareanbieter: Bringen tiefes Produktwissen und Erfahrungen aus anderen Implementierungen ein. Sie können aufzeigen, wie ihre Software typischerweise genutzt wird und welche Konfigurationsmöglichkeiten bestehen. Ihre Perspektive ist jedoch naturgemäß produktzentriert. Es ist nicht ihre primäre Aufgabe, die Geschäftsprozesse des Kunden fundamental zu hinterfragen oder eine unabhängige Marktsicht zu liefern.
- Unabhängige Berater: Können eine neutrale Sicht einbringen, die interne Analyse methodisch unterstützen, Benchmarking-Daten liefern, bei der kritischen Bewertung von Vendor-Aussagen helfen und die Adaption von externen Impulsen an die spezifische Kundensituation begleiten.
6. Fazit: Informierte Entscheidungen statt standardisierter Kompromisse
Die Suche nach „Best Practice“ bei der Implementierung von PMI-Softwarelösungen ist nur dann sinnvoll, wenn sie auf einer soliden Basis interner Analyse und klar definierter strategischer Ziele aufsetzt. Der unreflektierte Import externer Praktiken führt selten zu optimalen Ergebnissen und birgt das Risiko kostspieliger Fehlentscheidungen. Stattdessen sollten Asset Manager einen Ansatz verfolgen, der:
- Mit einer tiefgehenden Analyse der eigenen Prozesse, Stärken und Schwächen beginnt.
- Ein klares Soll-Konzept basierend auf den eigenen strategischen Zielen definiert.
- Benchmarking und externe Impulse gezielt und kritisch zur Validierung, Inspiration und Optimierung nutzt, aber nicht als Blaupause.
- Die finale Lösung maßgeschneidert auf die eigene Organisation konfiguriert und implementiert.
Dieser Weg erfordert zwar initial mehr Aufwand für Analyse und Konzeption, führt aber zu nachhaltigeren, effizienteren und besser akzeptierten Lösungen, die die spezifischen Wettbewerbsvorteile des Asset Managers unterstützen, anstatt sie einem vermeintlichen Standard zu opfern.