Cap Table in der Praxis: Struktur, Inhalte und Dynamik bei Private Market Investments
Der Cap Table (Capitalization Table) gehört zu den zentralen Instrumenten in Venture- und Growth-Finanzierungen. Er gibt Auskunft darüber, wer mit welchem Anteil am Unternehmen beteiligt ist – und wie sich diese Verteilung über die Zeit verändert. Für Investoren ist der Cap Table essenziell, um Verwässerungen zu kalkulieren, Liquidation Preferences zu berücksichtigen und den potenziellen Rückfluss im Exit-Fall zu bewerten. Besonders für LPs mit direkten oder indirekten Beteiligungen an Start-ups über Co-Investments oder VC-Fonds liefert er zentrale Informationen zur NAV-Bewertung und zur Exit-Potenzialanalyse.
Disclaimer:
Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Rechts-, Steuer- oder Finanzberatung dar. Die Modellannahmen sind beispielhaft und sollten für konkrete Entscheidungen angepasst werden.

1. Was ist ein Cap Table – und wofür brauche ich ihn?
Der Cap Table listet sämtliche Anteile, Beteiligungsformen und Rechte an einem Unternehmen auf – von Gründeranteilen über Seed-Investments bis hin zu Mitarbeiteroptionen (ESOP). Er bildet nicht nur den Status quo ab, sondern zeigt auch die Dynamik über Finanzierungsrunden hinweg.
Für Investoren ist der Cap Table aus folgenden Gründen essenziell:
- Transparenz: Überblick über die Eigentümerstruktur.
- Bewertung: Grundlage für die NAV-Berechnung (z.B. unter Berücksichtigung von Präferenzen).
- Verwässerungskontrolle: Kalkulation der Auswirkungen neuer Finanzierungsrunden oder Option Pools.
- Exit-Simulation: Bewertung des potenziellen Rückflusses im Exit-Fall unter Berücksichtigung aller Präferenzen und Anteile.
2. Bestandteile eines Cap Tables – was gehört rein?
Ein vollständiger Cap Table umfasst typischerweise die folgenden Informationen:
Kategorie | Beispielhafte Inhalte | Bedeutung |
---|---|---|
Gesellschafter / Investor | Gründer, Angels, VC-Fonds, Private Equity Fonds, Mitarbeiter (ESOP Pool) | Wer hält Anteile? |
Anteilsklassen | Common Shares (Stammaktien), Preferred Shares (Vorzugsaktien mit Sonderrechten), Convertible Notes (Wandelanleihen), SAFEs (Simple Agreements for Future Equity) | Welche Art von Beteiligung wird gehalten? |
Anzahl der Anteile | Anzahl der gehaltenen Anteile pro Gesellschafter und Anteilsklasse | Wie viele Einheiten der Beteiligung? |
Beteiligung in % | Anzahl der Anteile / Gesamtanzahl der ausgegebenen Anteile (auf Fully-Diluted-Basis) | Welcher Prozentsatz am Unternehmen? |
Investiertes Kapital | Betrag, den der Investor für die Anteile gezahlt hat | Basis für ROI und Präferenzen |
Pre-Money / Post-Money | Unternehmensbewertung vor / nach einer Finanzierungsrunde | Grundlage für Preis pro Aktie und Anteilsverteilung |
Liquidation Preferences | Höhe (z.B. 1x Investiertes Kapital), Rangfolge (Senior/Junior), Partizipation (participating/non-participating) | Vorrangige Rückzahlungsrechte im Exit-Fall |
Vesting-Regeln | Zeitplan und Bedingungen für den Erwerb unverfallbarer Anteile (z.B. für ESOPs und Gründeranteile) | Wann werden Anteile tatsächlich dem Mitarbeiter/Gründer zugeordnet? |
Verwässerungsschutz | Mechanismen wie Full Ratchet oder Weighted Average | Schutz vor Wertverlust bei Down-Rounds |
3. Wie verändert sich der Cap Table über Zeit? – Dynamik und Finanzierungsrunden
In der Praxis ist der Cap Table kein statisches Dokument. Jede neue Finanzierungsrunde, jede Wandlung von Wandelanleihen oder SAFEs und jede Ausübung von Optionen verändert die Anteile, Bewertungen und Rechte. Dieser Prozess wird oft als Verwässerung bezeichnet, da sich die prozentuale Beteiligung der Bestandsinvestoren reduziert (sofern sie nicht pro-rata mitinvestieren).
Beispielhafte Entwicklung über Finanzierungsrunden:
Runde | Pre-Money (EUR) | Investment (EUR) | Post-Money (EUR) | Anteil neuer Investor (%) | Anteil Gründer (vorher) (%) | Anteil Gründer (nachher) (%) | Verwässerung Gründer (%) |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Seed | 2.000.000 | 500.000 | 2.500.000 | 20,0% | 100% | 80% | 20% |
Series A | 5.000.000 | 2.000.000 | 7.000.000 | 28,6% | 80% | 57,1% | 28,6% |
Series B | 15.000.000 | 5.000.000 | 20.000.000 | 25,0% | 57,1% | 42,8% | 25,0% |
Dieses Beispiel zeigt, wie der prozentuale Anteil der Gründer mit jeder Finanzierungsrunde durch die Ausgabe neuer Anteile für die Investoren rechnerisch verwässert wird. Die absolute Anzahl ihrer Anteile bleibt gleich, aber ihr Anteil am Gesamtkuchen wird kleiner.
4. Besonderheiten im Cap Table: ESOP, SAFEs, Convertibles und Liquidation Preferences
Über die einfachen Anteile hinaus gibt es komplexe Instrumente, die im Cap Table abgebildet sein müssen:
- ESOPs (Employee Stock Option Plans): Anteile, die für Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Sie werden typischerweise als Pool im Cap Table ausgewiesen und verwässern Bestandsinvestoren beim Zeitpunkt der Zuteilung und Ausübung. Der ESOP Pool muss regelmässig aktualisiert werden, oft vor neuen Finanzierungsrunden (sog. „Option Pool Refresh“), was die Bestandsinvestoren zusätzlich verwässern kann.
- SAFEs (Simple Agreements for Future Equity) & Convertibles (Convertible Notes): Finanzinstrumente, die in einer zukünftigen Equity-Runde in Anteile gewandelt werden. Im Cap Table tauchen sie zunächst als Schuld oder spezielle Kategorie auf und repräsentieren eine potenzielle Verwässerung, die erst bei der Wandlung endgültig wird.
- Liquidation Preferences: Wie in Abschnitt 2 erwähnt, garantieren diese Investoren eine Mindestrückzahlung im Exit-Fall. Sie beeinflussen nicht die prozentuale Beteiligung am Unternehmen vor dem Exit, sind aber essenziell für die Berechnung des tatsächlichen Rückflusses an die einzelnen Parteien im Liquidationsszenario.
5. Rechenbeispiel: Exit mit Liquidation Preferences (Non-Participating)
Dieses Beispiel illustriert, wie Liquidation Preferences die Verteilung des Erlöses im Exit-Fall beeinflussen können.
Annahmen:
- Cap Table vor Exit:
- Gründer: 50% Anteile (Common Shares), 0 EUR investiert.
- VC A (Seed Runde): 20% Anteile (Preferred Shares), 0,5 Mio. EUR investiert, 1x Non-Participating Liquidation Preference.
- VC B (Series A Runde): 30% Anteile (Preferred Shares), 2 Mio. EUR investiert, 1x Non-Participating Liquidation Preference.
- Gesamtinvestiertes Kapital der VCs mit Präferenz: 0,5 Mio. + 2,0 Mio. = 2,5 Mio. EUR.
Liquidationskaskade (Verteilung des 30 Mio. EUR Erlöses bei Non-Participating Preferences):
- Bei Non-Participating Preferences erhält der Investor das Maximum aus seiner Präferenz (1x investiertes Kapital) oder seinem Pro-rata-Anteil am Gesamterlös.
- Präferenzen: VC A = 0,5 Mio. EUR, VC B = 2,0 Mio. EUR.
- Pro-rata-Anteile am Gesamterlös (30 Mio.):
- Gründer: 50% * 30 Mio. = 15,0 Mio. EUR
- VC A: 20% * 30 Mio. = 6,0 Mio. EUR
- VC B: 30% * 30 Mio. = 9,0 Mio. EUR
- Verteilung basierend auf Maximum (Preference vs. Pro-rata):
- Gründer (Common): Erhalten ihren Pro-rata-Anteil, da sie keine Preference haben.
- VC A (Preferred): Maximum aus 0,5 Mio. (Preference) und 6,0 Mio. (Pro-rata). VC A erhält 6,0 Mio. EUR.
- VC B (Preferred): Maximum aus 2,0 Mio. (Preference) und 9,0 Mio. (Pro-rata). VC B erhält 9,0 Mio. EUR.
- Die verbleibende Summe wird an die Common Shareholder (Gründer) verteilt. Gesamtbetrag der VCs (die ihre Pro-rata-Anteile erhalten): 6,0 Mio. + 9,0 Mio. = 15,0 Mio. EUR.
- Erlös für Gründer: 30 Mio. EUR (Gesamterlös) – 15,0 Mio. EUR (an VCs) = 15,0 Mio. EUR.
Gesamtverteilung des 30 Mio. EUR Erlöses:
- Gründer: 15,0 Mio. EUR
- VC A: 6,0 Mio. EUR
- VC B: 9,0 Mio. EUR
Gesamtverteilung: 15,0 Mio. + 6,0 Mio. + 9,0 Mio. = 30,0 Mio. EUR.
Dieses Beispiel zeigt, wie auch bei Non-Participating Preferences die VCs ihren Pro-rata-Anteil am Gesamterlös erhalten, wenn dieser über ihrer Präferenz liegt. Liquidation Preferences beeinflussen den Cap Table erheblich und können Anreize für Gründer verändern, insbesondere bei niedrigeren Exit-Bewertungen.
6. Psychologische Effekte: Die „Option Mindset“
Die Komplexität des Cap Tables und insbesondere der Vorzugsrechte kann bei Gründern und Common Shareholdern zu Fehleinschätzungen bezüglich des potenziellen Rückflusses führen. Man spricht hier vom „Option Mindset“: Gründer und Mitarbeiter mit Common Shares neigen dazu, den Wert ihrer Anteile auf Basis einer einfachen prozentualen Beteiligung am potenziellen Exit-Erlös zu überschätzen und die Auswirkungen von Liquidation Preferences zu unterschätzen. Sie sehen ihre Anteile als Call-Optionen auf den Unternehmenswert, vergessen aber die „embedded senior debt“ der Präferenzen.
Dies kann zu Enttäuschungen im Exit-Fall führen, wenn die tatsächlich erhaltene Summe nach Bedienung der Präferenzen deutlich unter der erwarteten pro-rata-Summe liegt. Investoren und Unternehmensführung sollten daher transparent über die Funktionsweise von Präferenzen und deren Auswirkungen auf verschiedene Exit-Szenarien aufklären.
7. Best Practices für LPs, Fonds und Start-ups
Ein professioneller Umgang mit dem Cap Table ist für alle Beteiligten entscheidend:
- Aktualität sicherstellen: Der Cap Table muss mit jeder neuen Finanzierungsrunde, jeder Zuteilung von Optionen, jeder Wandlung und jedem Ausscheiden von Mitarbeitern oder Gründern umgehend aktualisiert werden.
- Transparenz schaffen: Ein klar strukturierter und für relevante Parteien zugänglicher Cap Table fördert Vertrauen und erleichtert Due Diligence-Prozesse.
- Simulationen durchführen: Alle Beteiligten sollten regelmäßig Exit-Szenarien durchspielen – auch bei niedrigeren Bewertungen (Down-Rounds) – um die Auswirkungen von Präferenzen und anderen Rechten auf die Auszahlung an die einzelnen Parteien zu verstehen.
- Vesting und Optionen im Blick behalten: Insbesondere bei der Bewertung von Anteilen oder Co-Investments muss der Status von Vesting-Plänen und der potenzielle Einfluss von Option Pools berücksichtigt werden.
8. Fazit: Cap Table als zentrales Steuerungsinstrument
Ein fundierter und korrekt geführter Cap Table ist kein „Nice to Have“, sondern essenziell – sowohl für die Unternehmensführung als auch für Investoren. Gerade in illiquiden Märkten wie Venture Capital dient er als Grundlage für Performanceanalysen, Exit-Planungen und strategische Entscheidungen. Für LPs bietet er die Möglichkeit, indirekte Beteiligungen besser zu verstehen und systematisch zu bewerten – vorausgesetzt, die notwendige Transparenz und die Tools zur Analyse werden bereitgestellt.
8.1 Recherchequellen & Literatur
- Fachartikel und Standardwerke zu Venture Capital und Private Equity Finanzierungsrunden und Cap Tables
- NVCA Model Legal Documents (beispielhaft für Dokumentation von Cap Table relevanten Klauseln)
- IFRS 13 / ASC 820 (Fair Value Measurement Standards, relevant für Bewertung mit Präferenzen)
- Publikationen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Anwaltskanzleien zu Venture Deals