Die deutsche Besteuerung von Private Market Investments: Ein Überblick über InvStG 2018, Abgeltungsteuer und Carried Interest
Die Besteuerung von Erträgen aus Private Market Investments (PMI) in Deutschland ist ein komplexes Feld, das wesentlich von der Art des Investments, der Fondsstruktur (transparent vs. intransparent) und der Rechtsform des Investors abhängt. Insbesondere das 2018 reformierte Investmentsteuergesetz (InvStG 2018) spielt eine zentrale Rolle für die Besteuerung von Investmentfondsanteilen, während das Einkommensteuergesetz (EStG) und andere Gesetze spezifische Regeln für einzelne Einkunftsarten (z.B. direkten Carry) und Investor-Typen enthalten. Ein Verständnis dieser Regelungen ist für Manager (GPs), Investoren (LPs) und deren Berater essenziell, da steuerliche Aspekte die Netto-Rendite und die Strukturierung maßgeblich beeinflussen. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland im Kontext von PMI, beleuchtet Implikationen für verschiedene Assetklassen und Fondsstrukturen und diskutiert notwendige Anpassungen in den Prozessabläufen und Systemen bei GPs und LPs.
Disclaimer:
Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechts-, Steuer- oder Finanzberatung dar. Die hierin enthaltenen Informationen sollten vor einer Entscheidungsfindung unabhängig überprüft werden. Das deutsche Steuerrecht, insbesondere das Investmentsteuerrecht, ist komplex und dynamisch. Für individuelle Sachverhalte ist zwingend steuerlicher Rat einzuholen.

1. Regulatorischer Rahmen: InvStG 2018 als Kern
Die Besteuerung von Investmentfonds und den Erträgen ihrer Anleger in Deutschland wird primär durch das Investmentsteuergesetz 2018 (InvStG 2018) geregelt. Es löste das alte, hochkomplexe Transparenzprinzip für die meisten Fondstypen ab und führte ein Besteuerungssystem auf Fondsebene (Trennbankenprinzip) und eine Pauschalbesteuerung bestimmter Fondserträge auf Anlegerebene (Vorabpauschale) ein. Daneben sind für PMI relevant:
- Einkommensteuergesetz (EStG) / Körperschaftsteuergesetz (KStG): Relevant für die Besteuerung von direkten Investitionen außerhalb von Fondsvehikeln, für Carried Interest (oft als sonstige Einkünfte oder Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit qualifiziert) und für die Besteuerung der Anlegererträge aus Fonds nach den Regeln des InvStG 2018.
- Gewerbesteuergesetz (GewStG), Umsatzsteuergesetz (UStG) etc.: Relevant für bestimmte Kosten oder Tätigkeiten auf Fonds- oder Managementebene.
Für Anleger mit Wohnsitz oder Sitz in Deutschland ist die Besteuerung von Erträgen aus Fondsinvestments und PMI-Beteiligungen ein Zusammenspiel dieser Regelwerke.
2. Steuerliche Behandlung zentraler Ertragsarten
Die steuerliche Behandlung von Erträgen aus PMI in Deutschland hängt wesentlich von der Art des Ertrags ab:
- Erträge aus Fondsinvestitionen (Ausschüttungen, Veräußerungsgewinne auf Fondsanteile): Unterliegen primär den Regeln des InvStG 2018 auf Ebene des Anlegers. Hier greifen je nach Fondsart (siehe unten) die Teilfreistellungen auf bestimmte Erträge. Für Privatanleger mit Wohnsitz in Deutschland werden diese Fondserträge, soweit nicht teilfreigestellt, in der Regel mit der Abgeltungsteuer von 25% (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) besteuert (§ 20 EStG i.V.m. InvStG 2018). Für institutionelle Anleger (z.B. Versicherungen, Versorgungswerke) und Kapitalgesellschaften unterliegen die Erträge der Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer, ebenfalls unter Berücksichtigung der Teilfreistellungen.
- Direkte Einkünfte aus Beteiligungen/Krediten außerhalb von Fonds: Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinne werden direkt nach den allgemeinen Regeln des EStG/KStG besteuert. Bei Dividenden kann für Körperschaften z.B. das Schachtelprivileg greifen. Bei Privatpersonen Zinsen und Dividenden unterliegen ebenfalls der Abgeltungsteuer (§ 20 EStG).
- Carried Interest (Erfolgsabhängige Vergütung des Managers): In Deutschland unterliegt Carried Interest aus Wagniskapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen einer speziellen steuerlichen Behandlung (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40c EStG, § 3c Abs. 2 EStG). Häufig wird der Gewinn zu einem bestimmten Prozentsatz (typisch 40%) steuerfrei gestellt, während der restliche Teil (60%) der Einkommensteuerpflicht des Managers unterliegt und zum progressiven Satz (bis zu 42% oder 45%) besteuert wird, nicht mit der pauschalen Abgeltungsteuer. Die genaue Qualifizierung und Behandlung hängt von der Struktur (GbR, GmbH etc.) und den konkreten Vereinbarungen ab. Dies ist keine typische Anwendung der Abgeltungsteuer.
3. Auswirkungen der Fondssturktur und des InvStG 2018
Das InvStG 2018 unterscheidet zwischen Investmentfonds und Publikums-/Spezial-AIFs nach KAGB und behandelt diese im Grundsatz als steuerlich intransparent („Trennbankenprinzip“). Das heißt, die meisten Erträge werden nicht mehr beim Anleger besteuert, bevor sie ausgeschüttet werden. Stattdessen greift ein dreistufiges Besteuerungssystem:
- 1. Besteuerung auf Fondsebene (nur bei bestimmten Erträgen): Der Fonds selbst wird auf bestimmte inländische Einkünfte (z.B. inländische Dividenden, inländische Mieteinnahmen) besteuert (z.B. 15% Körperschaftsteuer zzgl. Soli), bevor sie an den Anleger ausgeschüttet werden können. Die meisten typischen Fondserträge aus ausländischen Assets sind auf Fondsebene steuerfrei.
- 2. Besteuerung auf Anlegerebene (im Fokus): Dies ist die wichtigste Stufe. Die Erträge des Anlegers werden besteuert, unabhängig davon, ob sie ausgeschüttet werden oder nicht:
- Vorabpauschale: Ein pauschaler Ertrag, der jährlich für jeden Fondsanteil als Besteuerungsgrundlage für die Anleger angesetzt wird, auch wenn keine Ausschüttung erfolgt ist. Berechnet basierend auf einem Basiszinssatz der Bundesbank und dem Wertzuwachs des Fonds. Vermeidet Thesaurierungsprämien.
- Ausschüttungen: Der ausgeschüttete Betrag wird beim Anleger besteuert, soweit er die Vorabpauschalen bisheriger Jahre übersteigt.
- Gewinne aus Anteilsveräußerung: Die Differenz zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten wird besteuert. Dabei werden bereits versteuerte Vorabpauschalen abgezogen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Auf diese Erträge greifen die Teilfreistellungen nach InvStG 2018 (§§ 20, 21 InvStG).
- 3. Quellensteuer: Inländische Fonds haben unter Umständen deutsche Kapitalertragsteuer (Quellensteuer) einzubehalten, ausländische Fonds haben andere Quellensteuerregeln (u.U. Steuerabzug im Ausland).
4. Teilfreistellungen nach InvStG 2018
Die für PMI besonders relevanten Teilfreistellungen auf Anlegerebene reduzieren die Besteuerung von Erträgen aus Fondsinvestments und sind vom Anlegertyp und der Anlageklasse des Fonds (bestimmt durch dessen Asset-Allokation) abhängig:
Fondsart nach InvStG 2018 | Schlüssel für Teilfreistellung | Teilfreistellung (Privatanleger) | Teilfreistellung (Körperschaften) |
---|---|---|---|
Aktienfonds (mind. 51% Aktienquote) | Aktienquote | 30% | 80% |
Immobilienfonds (mind. 51% Immobilienquote) | Immobilienquote | 60% ( Inland ) / 80% ( Ausland ) | Keine (seit 2020) |
Mischfonds (mind. 25% Aktienquote, aber < 51%) | Aktienquote | 15% | 40% |
Sonstige Fonds (keine der obigen Qualifikationen) | ./. | 0% | 0% |
Für PMI-Investments ist relevant:
- Private Equity Fonds, Venture Capital Fonds, Private Debt Fonds und viele Infrastrukturfonds werden steuerlich oft als „Sonstige Fonds“ qualifiziert, da sie die Mindestquoten für Aktien oder Immobilien nicht erreichen. Für diese Fonds greifen auf Anlegerebene in der Regel keine Teilfreistellungen (§ 20 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 InvStG 2018), weder für Privatpersonen (25% Abgeltungsteuer auf volle Basis) noch für Körperschaften (volle Körperschaftsteuer/Gewerbesteuerpflicht auf volle Basis).
- Immobilienfonds (insb. Immobilien Spezial-AIFs) und in Aktien investierende Fonds (bei hybriden Strukturen oder Public Equity Co-Investments) sind die Ausnahmen, bei denen Teilfreistellungen relevant werden.
- Der Fonds muss die Kriterien für die Einstufung und die relevante Quote (Aktien, Immobilien) laufend dokumentieren und im Rahmen des Reports (siehe unten) an den Anleger mitteilen.
5. Verlustverrechnung bei Fondsinvestments
Nach InvStG 2018 können Verluste aus der Veräußerung von Fondsanteilen sowie Verluste aus der Abwicklung/Teilabwicklung eines Fonds mit allen Einkünften aus dem Investmentgeschäft des Anlegers verrechnet werden (z.B. positive Ausschüttungen, Veräußerungsgewinne aus anderen Fondsanteilen). Die generellen Einschränkungen der Verlustverrechnung im § 20 EStG (Verlust aus Kapitalvermögen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen) und für Derivate/Termingeschäfte bleiben bestehen, sind aber im Kontext des Fondsinvestments nach den InvStG-Regeln zu sehen.
6. Implikationen für Prozessabläufe und Systeme
Die Umsetzung der deutschen Besteuerung von PMI erfordert spezifische Prozesse und Systemfähigkeiten bei GPs (bzw. ihren Administratoren) und LPs:
6.1 Beim GP (Fondsmanager) und Administrator
- Einordnung des Fonds: Klare Feststellung der steuerlichen Qualifikation des Fonds (Aktienfonds, Immobilienfonds, Sonstiger Fonds etc.) basierend auf laufender Asset-Allokation (§ 2 InvStG 2018).
- Berechnung der Besteuerungsgrundlagen: Akkurate Ermittlung der jährlichen Vorabpauschalen pro Anteil, der steuerlichen Ausschüttungserträge und der steuerlichen Veräußerungsgewinne (bei Exit des gesamten Fonds oder Anteilsveräußerung durch LP).
- Dokumentation und Reporting: Erstellung eines steuerlichen Jahresgutachtens / Jahresberichts für den Fonds, das u.a. die steuerliche Fondsqualifikation und die relevanten Besteuerungsgrundlagen pro Anteil und die relevanten Quoten (Aktien-/Immobilienquote) für die Teilfreistellungen enthält. Dieses Gutachten ist Grundlage für die Steuererklärung des Anlegers und wird von den Depotbanken/KVGen für die Abführung der Abgeltungsteuer bzw. Berechnung der Körperschaftsteuer benötigt.
- Prozesse: Enge Abstimmung zwischen Fondsadministration (Datenbasis), Steuerberatern (Erstellung des Gutachtens) und ggf. Wirtschaftsprüfern. Systemseitige Unterstützung zur Berechnung der Vorabpauschalen und steuerlichen Erträge.
- Systeme: Fondsverwaltungs- und Reporting-Systeme müssen die notwendigen Daten zur Asset-Allokation, zum Fonds-NAV und zu den Cashflows granular erfassen und die Berechnung der steuerlichen Kenngrößen gemäß InvStG 2018 unterstützen oder Daten für externe Steuertools bereitstellen können. Eine Nachvollziehbarkeit der steuerlichen Behandlung pro Ertragsart ist notwendig.
6.2 Beim LP (Investor)
- Datenbeschaffung: Einholung der steuerlichen Jahresgutachten / Berichte von jedem investierten Fonds vom GP/Administrator.
- Steuererklärung/Compliance: Nutzung der steuerlichen Angaben im Gutachten zur korrekten Versteuerung der Fondsträge (Vorabpauschale, Ausschüttungen, Veräußerungsgewinne) in der eigenen Einkommen-/Körperschaftsteuererklärung. Für Privatpersonen erfolgt die Abführung der Abgeltungsteuer oft über die Depotbank. Institutionelle Investoren müssen die Angaben selbst in ihre Steuererklärungen integrieren.
- Optimierung: Analyse der steuerlichen Auswirkungen verschiedener Fondsstrukturen und Assetklassen unter Berücksichtigung der Teilfreistellungen. Abgleich der Angaben im Gutachten mit den eigenen Unterlagen.
- Prozesse: Aufbau von Prozessen zur systematischen Einholung und Verarbeitung der steuerlichen Gutachten von allen Fonds (kann bei vielen illiquiden Investments sehr aufwendig sein, da Formate und Lieferfristen variieren können).
- Systeme: Eigene Portfolio-Management-Systeme oder Data Warehouses müssen die Speicherung und Verarbeitung der relevanten steuerlichen Kennzahlen pro Fonds (Besteuerungsgrundlagen, Teilfreistellungsquoten) unterstützen können, um die eigene steuerliche Situation oder die der Endinvestoren korrekt zu ermitteln.
7. Assetklassen-spezifische Implikationen (Zusammenfassung)
Während viele PMI-Fonds steuerlich als „Sonstige Fonds“ (0% Teilfreistellung) gelten, ergeben sich spezifische Implikationen:
PMI Asset Klasse (Fondsstruktur) | Typische Steuerliche Qualifikation des Fonds (InvStG 2018) | Teilfreistellung (InvStG 2018, Anleger) | Wesentliche steuerliche Ertragsarten für Anleger |
---|---|---|---|
Private Equity Fonds, Venture Capital Fonds | Oft: Sonstiger Fonds | 0% | Vorabpauschale, Ausschüttungen (typisch: Veräußerungsgewinne des Fonds), Veräußerungsgewinn auf Fondsanteil. (Ggf. Direkter Carry für GP – nicht Abgeltungsteuer). |
Private Debt Fonds | Oft: Sonstiger Fonds | 0% | Vorabpauschale, Ausschüttungen (typisch: Zinserträge des Fonds), Veräußerungsgewinn auf Fondsanteil. |
Infrastruktur Fonds | Oft: Sonstiger Fonds; Ggf. Mischfonds oder indirekt Immobilienfonds je nach Struktur | 0% (typisch); 15%/40% bei Mischfonds-Qualifikation; Ggf. Immo-Teilfreistellung bei indirekten Immo-Investments. | Vorabpauschale, Ausschüttungen (oft Miete, Stromerlöse, ggf. Veräußerungsgewinne), Veräußerungsgewinn auf Fondsanteil. |
Immobilien Fonds (Spezial-AIF) | Immobilienfonds | 60% (Inland)/80% (Ausland) für Privatanleger; 0% für Körperschaften. | Vorabpauschale, Ausschüttungen (Mieteinnahmen, Veräußerungsgewinne Immo), Veräußerungsgewinn auf Fondsanteil. |
Dachfonds (Fonds investiert in andere Fonds) | Steuerliche Qualifikation richtet sich nach der Besteuerung der Zielfonds (sog. „Stimmrechtsprinzip“). | Abhängig von der Qualifikation der Zielfonds (Eselsbrücke: Durchscnittliche Qualifikation der Zielfonds über 50% Assetanteil im Zielfonds zählt). | Vorabpauschale, Ausschüttungen (typisch: Weitergabe Ausschüttungen/Gewinne aus Zielfonds), Veräußerungsgewinn auf Fondsanteil. |
8. Fazit und Ausblick
Die deutsche Besteuerung von Private Market Investments ist für Anleger und Manager, insbesondere aufgrund des InvStG 2018 und der differenzierten Behandlung von Erträgen und Fondsarten, komplex. Das „Trennbankenprinzip“ und die Teilfreistellungen sind zentrale Konzepte, die verstanden werden müssen. Die weit verbreiteten Private Equity, Venture Capital und Private Debt Fonds profitieren steuerlich auf Anlegerebene (sofern „Sonstige Fonds“) typischerweise nicht von Teilfreistellungen auf Kapitalerträge, im Gegensatz zu Immobilien- oder Aktienfonds. Carried Interest unterliegt zudem einer separaten, progressiven Besteuerung und fällt nicht unter die pauschale Abgeltungsteuer.
Die korrekte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gemäß InvStG 2018 und deren transparentes Reporting an die Anleger durch den GP/Administrator erfordern spezialisiertes Wissen und geeignete Systemunterstützung. Auch auf Anlegerseite sind Prozesse zur Verarbeitung dieser steuerlichen Berichte notwendig.
Für die Zukunft bleibt die steuerliche Behandlung von Investitionserträgen relevant. Diskussionen über mögliche weitere Reformen des Investmentsteuerrechts oder Änderungen bei der Abgeltungsteuer sind Teil der politischen Agenda und müssen beobachtet werden.
Eine fundierte steuerliche Beratung ist für Investoren und Fondsinitiatoren in diesem komplexen Feld unabdingbar, um Strukturen steueroptimal zu gestalten und Compliance sicherzustellen.