ELTIF 2.0 – Was Asset Manager organisatorisch verändern müssen
Mit der neuen ELTIF-Verordnung 2023/606 („ELTIF 2.0“) will die EU langfristige Investitionen einem breiteren Anlegerkreis zugänglich machen. Doch wer als Asset Manager den neuen Spielraum nutzen will, muss sich organisatorisch und technisch neu aufstellen. Besonders die NAV-Berechnung, das Liquiditätsmanagement und die Systemintegration erfordern eine vorausschauende Planung.
Haftungsausschluss: Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und stellt keine rechtliche, steuerliche oder aufsichtsrechtliche Beratung dar. Für verbindliche Interpretationen sind die jeweils aktuellen regulatorischen Texte sowie die Abstimmung mit Fachberatern heranzuziehen.

Der Paradigmenwechsel: Was ELTIF 2.0 wirklich bedeutet
Die neuen Regeln erweitern nicht nur die Anlageklassen, sondern ermöglichen erstmals auch offene Strukturen. Dies stellt einen fundamentalen Wandel in der Fondsarchitektur dar und öffnet die Tür für Retail-Anleger.
Wesentliche Neuerung | Bedeutung für Asset Manager |
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Aufhebung der Mindestanlagehöhe | Öffnet den ELTIF für ein breites Privatanlegersegment. |
Erweiterte Anlageklassen | Ermöglicht die Beimischung von u.a. börsennotierten Small/Mid-Caps und UCITS. |
Möglichkeit offener Strukturen | Erlaubt regelmäßige Rückgaben und erfordert ein aktives Liquiditätsmanagement. |
Master-Feeder-Strukturen erlaubt | Ermöglicht flexiblere und effizientere Produktarchitekturen. |
Die organisatorische Kernsanierung: Prozesse, Systeme und Governance
Die neuen Freiheiten erfordern eine tiefgreifende Anpassung der operativen und technischen Infrastruktur. Die folgende Übersicht zeigt die am stärksten betroffenen Funktionsbereiche:
Funktionsbereich | Notwendige Veränderung |
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Produktstrukturierung | Offene Vehikel erfordern neue Liquiditätsmodelle (z.B. Kombination aus liquiden und illiquiden Assets). |
NAV-Berechnung | Höhere Frequenz (monatlich/quartalsweise) und angepasste Bewertungslogik. |
Kapitalabrufe | Automatisierte und für Retail-Anleger verständliche Prozesse und Kommunikationsketten. |
Liquiditätsmanagement | Einführung von Tools wie Soft Lock Periods, Rückgabefristen und Swing Pricing. |
Vertrieb & KYC | Anpassung der Zielmarkt-Definitionen und MiFID-II-Profilierung für neue Anlegergruppen. |
Risikomanagement | Integration dynamischer Liquiditäts- und Marktrisiken, insbesondere bei offenen Strukturen. |
IT-Systeme & Schnittstellen | Anpassung von IBOR/ABOR an neue Frequenzen, Assetklassen und Rückgabemodelle. |
Im Fokus: NAV-Berechnung und Liquiditätsmanagement als neue Königsdisziplinen
Zwei Bereiche rücken durch ELTIF 2.0 ins absolute Zentrum der operativen Exzellenz: die Frequenz und Methodik der Nettoinventarwert-Berechnung (NAV) und die aktive Steuerung der Fondsliquidität.
Herausforderungen bei der NAV-Berechnung
- Frequenz: Die Bewertungsfrequenz steigt bei offenen ELTIFs zwingend auf monatlich oder quartalsweise.
- Methodik: Wertansätze für illiquide Assets (z.B. DCF, Multiples) müssen methodisch sauber und nachvollziehbar in kürzeren Zyklen abbildbar sein.
- Systemintegration: ABOR/IBOR-Systeme müssen die neue Bewertungslogik, Zeitstempel und Stichtagsverarbeitung sicherstellen und eng mit der Kapitalflussplanung verknüpft sein.
Neue Werkzeuge für das Liquiditätsmanagement
Instrument | Funktion und Herausforderung |
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Rückgabezyklen | Schaffen planbare Rückgabefenster (z.B. halbjährlich), erfordern aber Synchronisation mit der Liquidität der Assets. |
Swing Pricing | Schützt das Fondsvermögen vor Verwässerung bei hohen Rückgaben. Erfordert komplexe Modellierung im NAV-Prozess. |
Soft Lock Periods | Verhindern frühzeitige Rückgaben und stabilisieren den Fonds. Erfordern klare Kommunikation und Anlegerakzeptanz. |
Gatekeeping-Mechanismen | Begrenzen Rückgaben in Stressphasen. Erfordern eine robuste Governance und hohe Transparenz. |
Der Weg zum ersten ELTIF 2.0: Ein realistischer Zeitplan
Die Einführung eines ELTIF-2.0-konformen Produkts ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Ein phasenweiser Ansatz ist unerlässlich.
- Vorbereitung & Lückenanalyse (ca. 6 Monate): Umfassende Gap-Analyse, rechtliche und steuerliche Prüfung, initiales Produktdesign.
- Systemanpassung & Partnerabstimmung (ca. 6 Monate): Anpassung von IBOR, PMS, CRM; Briefing und Abstimmung mit Verwahrstelle, Transfer Agent und Systemlieferanten.
- Pilotfonds-Strukturierung (ca. 3 Monate): Aufsetzen eines Testfonds mit begrenzter Distribution zur Validierung der Prozesse.
- Markteintritt & Lernphase (laufend): Einführung des Produkts, Etablierung von Feedbackschleifen und Feinjustierung der Governance.
Ihre Checkliste für den Start
- ✅ Führen Sie eine Gap-Analyse Ihrer Prozesse und Systeme gegen den neuen regulatorischen Rahmen durch.
- ✅ Überprüfen Sie Ihre bestehende Produktpalette auf ELTIF-Fähigkeit und identifizieren Sie Pilotkandidaten.
- ✅ Simulieren Sie Rückgabemodelle und deren Auswirkungen auf die NAV und die Fondsliquidität.
- ✅ Passen Sie Ihre ESG-Dokumentation und KPI-Struktur an die neuen Anforderungen an.
- ✅ Entwickeln Sie retail-fähige Kommunikations- und Vertriebsmaterialien.
- ✅ Stimmen Sie sich eng mit allen externen Partnern (Verwahrstelle, TA, Systemlieferanten) ab.
Fazit: Mehr als ein neues Etikett – Eine strategische Neuausrichtung
ELTIF 2.0 ist mehr als nur ein neues Label für alte Fonds. Wer die neuen Spielräume nutzen will, insbesondere mit offenen Strukturen, muss tief in die eigene Organisation eingreifen. NAV-Prozesse, Rückgabemechanismen und Kapitalabrufmodelle werden zu zentralen Stellschrauben für den Erfolg. Asset Manager sollten jetzt mit einer vorausschauenden Planung beginnen, um künftig kompatibel, vertriebsfähig und resilient aufgestellt zu sein.
Quellen
- ELTIF-Verordnung (EU) 2023/606
- ESMA Q&A zum ELTIF-Rahmenwerk
- EFAMA & BAI Stellungnahmen