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Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Software-Suiten für das Asset Management: Wann lohnt sich der Umstieg?

Der technologische Wandel macht auch vor dem Asset Management nicht halt. Während kleinere Marktteilnehmer oft auf Excel, E-Mail und SharePoint setzen, stellt sich mit wachsender Komplexität zunehmend die Frage: Wann lohnt sich der Umstieg auf spezialisierte Software-Suiten – etwa für IBOR, ABOR, CRM oder Reporting? Und wie lassen sich diese Investitionen wirtschaftlich rechtfertigen?

Disclaimer:

Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Rechts-, Steuer- oder Finanzberatung dar. Die Informationen sollten vor Entscheidungen individuell geprüft werden.

1. Begriffliche Grundlage: IBOR und ABOR als Systemanker

Im Zentrum der Systemlandschaft im Asset Management stehen zwei Kernsysteme, die häufig als Triebfeder für IT-Investitionen fungieren:

  • IBOR (Investment Book of Record): Das IBOR bildet die Sicht des Investmentmanagements ab. Es enthält alle Portfoliopositionen in Echtzeit (Trades, Cash, FX, Commitments etc.) und dient Front- und Middle-Office als Steuerungsgrundlage für Investmententscheidungen und Risikomanagement.
  • ABOR (Accounting Book of Record): Das ABOR ist die buchhalterische Sicht auf das Portfolio, die auf regulatorischen und bilanztechnischen Grundsätzen basiert. Es ist Grundlage für die offizielle NAV-Berechnung, den Audit und das regulatorische Reporting.

In der Praxis werden IBOR und ABOR zunehmend getrennt, aber systemisch verknüpft betrieben. Ihre Komplexität steigt mit zunehmender Fondsanzahl, Asset-Vielfalt und Reportingpflichten.

2. Typische Software-Suiten im Asset Management

Mit wachsendem Umfang der Aktivitäten und steigenden Anforderungen werden Einzellösungen und manuelle Prozesse ineffizient. Typische Software-Kategorien, die dann zur Diskussion stehen und oft als integrierte Suiten angeboten werden:

KategorieFunktionBeispiele
IBOR/ABOR-SystemeKernsysteme für Positionsführung, Bewertung und BuchhaltungAllvue, eFront, QPLIX, SimCorp, InvestOps
Portfolio Management Systeme (PMS)Unterstützung des Investmentprozesses, Dealflow-Management, Portfolio-AnalyseChronograph, Allocator, Fundwave, DealCloud (mit PMS-Funktionen)
CRM & Investor Relations (IR) PlattformenVerwaltung von Investorenkontakten, Fundraising, Investor Reporting PortaleSalesforce, DealCloud (mit CRM-Funktionen), Dynamo
Reporting Engines & BI-ToolsErstellung von standardisierten und individuellen Reports, DatenvisualisierungRiskMetrics, ArcReporting, PowerBI, Tableau
Datenmanagement (EDM) / Data WarehouseZentrale Datenhaltung, Datenqualitätssicherung, Konsolidierung aus verschiedenen QuellenAlveo, GoldenSource, Snowflake, eigene Datenlayer

Die Auswahl erfolgt meist modular – eine vollintegrierte Suite ist erst für größere Manager wirtschaftlich sinnvoll, während kleinere Manager oft mit spezialisierten Einzellösungen starten.

3. Relevante Schwellenwerte und Auslöser für Systemeinführungen

Ob ein Systemumstieg wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt nicht nur vom AUM ab. Auch Headcount, Fondsanzahl, Komplexität der Strukturen und internationale Aufstellung spielen eine entscheidende Rolle und definieren typische Schwellenwerte:

KriteriumKleiner ManagerMittelgroßer ManagerGroßer Manager
AUM< 250 Mio. EUR250–750 Mio. EUR> 750 Mio. EUR
Headcount (MA)< 1010–25> 25
Fondsanzahl / Investoren< 5 Fonds / < 20 Investoren5–15 Fonds / bis 100 LPs> 15 Fonds / > 100 LPs
InternationalitätnationalEU + UKglobal
Komplexität der StrukturenDirektinvestmentsFoF, Co-Investments, einfache SPVsSide Pockets, ESG-Layer, komplexe SPVs, Master-Feeder

Typische Trigger für einen Umstieg auf professionelle Systeme sind meist:

  • Steigende Governance-Anforderungen und Audit-Anforderungen.
  • Wachsende Ineffizienzen und Fehleranfälligkeit durch manuelle Prozesse (z.B. in Excel).
  • Anforderungen von Investoren (z.B. nach detaillierterem Reporting oder Investor-Portalen).
  • Neue oder verschärfte regulatorische Pflichten.

4. Wirtschaftliche Rechtfertigung: Eine Beispielrechnung

Die Entscheidung für eine Systeminvestition sollte auf einer fundierten wirtschaftlichen Betrachtung basieren, die die Kosten der neuen Systeme den erwarteten Einsparungen und Vorteilen gegenüberstellt. Die folgende Beispielrechnung ist eine vereinfachte Budgetbetrachtung und dient der Veranschaulichung, nicht als vollständige Break-even-Analyse.

Annahmen (Beispielhaft für einen mittelgroßen Manager):

  • Verwaltetes Vermögen (AUM): 500 Mio. EUR
  • Durchschnittliche Management Fee: 1,5 % p.a. (inkl. Setup-Komponente)
  • Jährliche Einnahmen (Management Fees): 500 Mio. EUR * 1,5 % = 7,5 Mio. EUR
  • Headcount: 20 MA
  • Ø Personalkosten pro MA (inkl. Nebenkosten): 120.000 EUR p.a.
  • Gesamtpersonalkosten: 20 MA * 120.000 EUR = 2,4 Mio. EUR p.a.
  • Weitere Betriebskosten (Miete, Reise, etc.): 1,6 Mio. EUR p.a.
  • Gesamtbetriebskosten (ohne System): 2,4 Mio. + 1,6 Mio. = 4,0 Mio. EUR p.a.
  • Verfügbares Budget für Systeme & IT (Annahme): 3,5 Mio. EUR p.a. (Differenz Einnahmen – Gesamtbetriebskosten)

Kosten einer modularen Systemeinführung (Schätzung):

  • Systemeinführungskosten (einmalig, Implementierung, Migration): 500.000 EUR
  • Laufende Betriebskosten pro Jahr (Lizenzen, Wartung, Support): 200.000–500.000 EUR p.a.

In diesem Beispiel liegt das jährliche Budget für Systeme & IT (3,5 Mio. EUR) deutlich über den geschätzten laufenden Systemkosten (0,2–0,5 Mio. EUR), was die Investition auf den ersten Blick tragfähig erscheinen lässt. Eine vollständige Wirtschaftlichkeitsrechnung müsste jedoch die erwarteten Einsparungen (z.B. durch Reduktion manueller Arbeit, geringere Fehlerkosten) und Vorteile (z.B. schnellere Prozesse, bessere Datenqualität, höhere Auditfähigkeit, Möglichkeit zur Skalierung des AUM ohne proportionalen Personalaufbau) quantifizieren und dem Total Cost of Ownership (TCO) über einen Zeitraum von 3–5 Jahren gegenüberstellen.

Fazit der Betrachtung: Ab einem AUM von ca. 500–750 Mio. EUR und mehr als 10–15 Personen ist eine modulare Systemeinführung betriebswirtschaftlich typischerweise tragfähig – vorausgesetzt, die Systeme werden über 3–5 Jahre skaliert und die erwarteten Effizienzgewinne (insbesondere Personaleffizienz) können realisiert werden.

5. Systemlandschaft nach Unternehmensgröße

Die Systemarchitektur entwickelt sich typischerweise mit der Größe und Komplexität des Managers:

Funktion / PhaseKleiner Manager (< 250 Mio. AUM)Mittelgroßer Manager (250–750 Mio. AUM)Großer Manager (> 750 Mio. AUM)
InvestmentmanagementExcel, OutlookPMS + CRMPMS + Dealflow + CRM
IBORExcel, Cash-TabellenIBOR modular (z.B. für Kern-Assetklassen)Voll integriertes IBOR
ABORExterne BuchhaltungTeilweise intern, spezialisierte SoftwareVoll intern mit Audit-Funktion
Reporting & ESGExcel, PowerPointReporting Engine + ESG-ToolsRegulatorik-Automation + Data Warehouse
Investor Relations / CRMOutlook, SharePointCRM-System + Investor PortalIntegriertes IR mit Look-through-Funktion
EDM / DatenqualitätFilestruktur + manuelle ProzesseZentrales Datenmodell mit ToolsVollwertige EDM-Plattform

6. Herausforderungen bei der Einführung

Die Einführung neuer Software-Suiten ist ein komplexes Projekt, das über die reine Technologie hinausgeht:

  • Change Management: Mitarbeitende müssen neue Systeme akzeptieren, lernen und nutzen. Dies erfordert Schulungen und klare Kommunikation.
  • IT-Security & Datenschutz: Besonders bei Cloud-Systemen sind strenge Anforderungen an Datensicherheit und Datenschutz zu erfüllen.
  • RFI/RFP-Prozess: Ein sorgfältiger Auswahlprozess ist notwendig, um die Vergleichbarkeit der Anbieter zu gewährleisten und die Zukunftsfähigkeit der gewählten Lösung sicherzustellen.
  • Datenmigration: Die Überführung historischer Daten aus Altsystemen (oft Excel) in die neue Struktur ist zeitaufwendig und fehleranfällig.
  • Mindestbesetzung: Wie bereits erwähnt, sind FTE-Einsparungen nur begrenzt realisierbar, insbesondere bei kleineren Managern. Oft geht es bei der Systeminvestition mehr um die Verbesserung der Datenqualität, der Auditfähigkeit und der Skalierbarkeit als um direkte Personalreduktion.

7. Fazit und Empfehlungen

Ein Umstieg auf spezialisierte Software-Suiten lohnt sich meist ab mittlerer Größenordnung – typischerweise bei >500 Mio. EUR AUM, mehr als 10 Mitarbeitenden und zunehmender Fonds- und Reporting-Komplexität. Die Entscheidung sollte jedoch nicht rein IT-getrieben sein, sondern in ein Gesamtkonzept für Governance, Reporting und Investorenkommunikation eingebettet werden.

Empfehlungen für die Praxis:

  • Frühzeitig eine modulare Datenarchitektur (z.B. ein zentrales Datenmodell oder DWH) etablieren, die als Basis für verschiedene Systeme dienen kann.
  • Systeme skalierbar und API-fähig wählen, um zukünftige Integrationen zu erleichtern.
  • Den Total Cost of Ownership (TCO) über einen Zeitraum von 3–5 Jahren bewerten, einschliesslich Implementierungs-, Lizenz-, Wartungs- und potenzieller Integrationskosten.
  • IBOR/ABOR sauber trennen, aber systemisch verbinden, um sowohl Investment- als auch Buchhaltungsanforderungen zu erfüllen.

7.1 Recherchequellen & Literatura

  • Preqin Fund Manager Survey
  • AIMA Whitepaper zu Manager-Kosten
  • ILPA Compliance Cost Reports
  • Fachartikel „Operational Efficiency in Alternative Asset Management“
  • Publikationen von Technologieanbietern (z.B. Allvue, eFront, QPLIX)

Hinweis: Die dargestellten Werte sind exemplarisch und dienen Illustrationszwecken. Für strategische Entscheidungen sollten individuelle Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen analysiert werden.

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